Schokoladenfabrik vor Zerstörung gerettet
Investoren planten den Abriss des historischen Gebäudes, bevor das Eingreifen der rot-grünen Stadtregierung die Wende brachte.
Kein Denkmalschutz für historische Fabrik
Vielen Simmeringer*innen ist es ein Begriff: Das 1905 erbaute historische Backsteingebäude in der Geiselbergstraße 26-32 diente einst als Schokoladenfabrik für die Firma Viktor Schmidt & Söhne. Dort wurden auch die Ildefonso-Nougatwürfel hergestellt, bevor die Produktion in den 1990er Jahren stillgelegt wurde. Danach wurde das markante Gebäude als „Alpha Factory Business Center“ für Büros (AMS…) genutzt.
2017 werden Pläne einer Investorengruppe bekannt, dass Areal für eine Wohnhausanlage zu nutzen und sämtliche Bestandsgebäude einschließlich des Backsteinbaus abzutragen. Dies wäre möglich gewesen, da kein Denkmalschutz vorhanden war. Das Bundesdenkmalamt prüfte einen Schutz bereits im Jahr 2006, sah allerdings auf Grund der massiven Umbauten im Gebäudeinneren die Kriterien als nicht erfüllt an.
Die Grünen Simmering brachten als erste Fraktion das Thema in der Bezirksvertretung zur Sprache: In einer Anfrage an Bezirksvorsteher Stadler im September 2017 erkundigten wir uns nach dem Stand der Dinge:
- Wie ist Ihr Kenntnisstand zur weiteren Zukunft des Backsteingebäudes in der Geiselbergstraße 26-32 (vormals Alpha-Factory)?
- Standen oder stehen Sie in Gesprächen mit dem Eigentümer der Liegenschaft über die geplante Bebauung?
- Wurde ein Denkmalschutz für das Gebäude geprüft?
- Werden Sie sich für eine Erhaltung des historischen Industriegebäudes einsetzen?
Begründung: In der Geiselbergstraße 26-32 befindet sich das ehemalige Fabriksgebäude der Firma Victor Schmidt & Söhne. Dieses ausgezeichnet erhaltene Backsteingebäude wurde 1905 von Wilhelm Klingenberg (1850-1910) errichtet, dem Architekten der ehem. Schokoladefabrik Heller (Belgradplatz 3-5, 1100, erbaut 1898–1900) und des großen historistischen Gebäudes Marc-Aurel-Straße 10–12 (1010, erbaut 1886). Der Eigentümer Immofinanz plant eine Umnutzung des Areals für Wohnzwecke. Im Internet wird ein Projekt an dieser Stelle beschrieben, das eine vollständige Demolierung aller Baulichkeiten am Areal vorsieht.
Der Bezirksvorsteher berichtete, dass er das Gespräch mit den Projektbetreibern gesucht hatte, aber leider erfolglos blieb. Diese beharrten auf ihren Abrissplänen, womit ein Symbol gründerzeitlicher Industriearchitektur in Simmering verschwunden wäre.
Rettung in letzter Sekunde dank neuer Bauordnung
Im Frühjahr 2018 wurden die letzten Mieter (Apotheke, Tanzschule Mikl) abgesiedelt und die Bagger fuhren auf. Während schon Teile der Rückseite der Schokoladenfabrik demoliert wurden, kam quasi in letzter Sekunde die Wende:
Die von der Stadtregierung beschlossene Novelle zur Wiener Bauordnung brachte einen deutlich verbesserten Schutz von Altbauten: Diese dürfen nur mehr dann abgerissen werden, wenn sie historisch bzw. architektonisch nicht von Bedeutung sind. Die Baupolizei verfügte einen sofortigen Baustopp, das Gebäude wurde als erhaltungswürdig eingestuft.
Projekt umgeplant, Fabrik bleibt erhalten
Während es zunächst nach einem langwierigen Rechtsstreit zwischen dem Projektbetreiber und den Behörden aussah und die Baustelle brach lag, kam dieses Jahr dann das Einlenken: Die Investoren ließen das Projekt umplanen und bezogen die Schokoladenfabrik nun den neuen Baukörper ein. Entsprechende Visualisierungen sind auf der Projekt-Website des „Wohngartens“ nun ersichtlich. Insgesamt sollen auf dem Areal ca. 680 freifinanzierte Mietwohnungen entstehen. Der Kindergarten im rückwärtigen Teil bleibt erhalten.
Wie die Geschichte zeigt, sind die (oft kritisierten) gesetzlichen Schranken zum Schutz des Kulturguts unbedingt notwendig, da „der Markt“ solche Dinge eben nicht von selbst regelt. Die Bewohner*innen Simmerings können sich jedenfalls freuen, dass ein Zeugnis der Industrieära des 19. Jahrhunderts weiterhin als vertrauter Blickfang auf der Geiselbergstraße bleibt.