Schattenbäume?

Die Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete Huem Otero García (Grüne) hat auf Twitter einen längeren Thread über das Versteckspiel der Stadt Wien mit den gesetzlich verpflichteten Baumnachpflanzungen veröffentlicht. Wir posten hier den Text (Zwischentitel von uns), da wir meinen, dass er viele Fragen beantwortet, die immer wieder gestellt werden.

Baumschutzgesetz und seine Umsetzung

Bäume mit einem Durchmesser >40 cm sind durch das Baumschutzgesetz geschützt. Wenn sie entfernt werden, müssen sie nachgepflanzt werden. Entweder

a) im Verhältnis 1:1 oder
b) eine Ersatzpflanzung pro 15 cm Stammumfang.

[Ob a) oder b) hängt vom Grund der Baumentfernung ab und soll uns jetzt nicht weiter interessieren)].

➡️ Nicht immer können Private ihrer Verpflichtung nachkommen, eine Ersatzpflanzung durchzuführen. Das hat oft den Grund, dass sich nicht alle Ersatzpflanzungen am Grundstück ausgehen. Da ist eine Ausgleichsabgabe (1.090 €) zu zahlen und
➡️ der Magistrat ist verpflichtet, die Ersatzpflanzung durchzuführen.

Anfrage und Beantwortung

Genau das passiert nicht (ausreichend), wie Anfragebeantwortungen des zuständigen Ressorts zeigen.
Die Frage nach diesen Ersatzpflanzungen wird so beantwortet:

„Wiener Stadtgärten haben i. d. Jahren 2019-2021 zahlreiche Bäume auf öffentlichem Gut und in Parkanlagen gepflanzt. Dafür wurden auch Ersatzpflanzungen aus Bewilligungsverfahren nach dem Wr. Baumschutzgesetz herangezogen.“

Ich habe hier keine Antwort auf die Anzahl der erfüllten Nachpflanzungen erhalten.

Datenrecherche und Plausibilität

Ich habe in den Anfragen die Daten aus 2019-2021 abgefragt und mir genauer angeschaut und auch mit den Daten aus dem Baumkataster auf Plausibilität geprüft und kann Folgendes sagen:

🔸Im Jahr 2021 wurden im öffentlichen Raum 3.737 Bäume entfernt.

🔸Im Jahr 2021 waren 7.157 Ersatzpflanzungen durch den Magistrat durchzuführen.

🔸Im Jahr 2021 wurden laut Anfragebeantwortung 4.659 Bäume gepflanzt ➡️ Im Jahr 2021 fehlten daher 2.498 Bäume

🔸Durchschnittl. werden jährlich 4.528 Bäume in öffentlichen Raum entfernt (auf 5 Jahre hochgerechnet: 22.638)

🔸Durchschnittl. werden 3.038 Bäume auf privaten Grundstücken entfernt (auf 5 Jahre: 15.192)

🔸Durchschnittl. sind jährlich 7.566 Ersatzpflanzungen durch den Magistrat (aus dem eigenen Zuständigkeitsbereich und aus der Ausgleichabgabe) durchzuführen (auf 5 Jahre gerechnet: 37.830)

🔸Durchschnittlich werden jährlich 5.902 Bäume gepflanzt. ➡️ Durchschnittlich fehlen 1.664 Bäume pro Jahr (auf 5 Jahre gerechnet 8.322)

„Schattenbäume“

Laut Anfragebeantwortung haben die Stadtgärten alle Bäume nachgepflanzt, die sie entfernt haben. Aber es besteht ein sehr großes Defizit, was ihre Verpflichtung betrifft, Bäume aus der Ausgleichsabgabe nachzupflanzen.


Die Rot-Pinke Stadtregierung behauptet, sie würde große Baumpflanzinitiativen setzen: 25.000 neue Bäume sollen laut Koalitionsabkommen bis 2025 im Straßenraum gepflanzt werden und „bis zu 3.000“ an neuen Standorten.
Wenn man sich die Daten anschaut, dann sieht man, dass das kein großer Wurf ist. Im Gegenteil: es reicht nicht einmal, um dem Gesetz gerecht zu werden.

Kostenwahrheit

Ein Problem stellt sicherlich die viel zu gering bemessene Ausgleichsabgabe von 1.090 Euro dar. Alleine die Baumpflanzung im öffentlichen Straßenraum kostet ohne bauliche Maßnahmen 2.800 bis 3.000 Euro.
Ein neuer Baum inkl. Baumscheibe und Einbauten kostet im Durchschnitt 25.000 Euro.
Wir haben hier offensichtlich ein strukturelles Problem mit dem Baumschutzgesetz.

Greenwashing

Statt sich dieser Frage anzunehmen, arbeitet die SPÖ mit irreführender Kommunikation und lobt sich in den Himmel, obwohl der Magistrat nicht einmal seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt ausreichend Bäume nachzupflanzen.

Die SPÖ rühmt sich damit, dass allein im Jahr 2021 4.500 neue Bäume gepflanzt worden seien und suggeriert damit, Wien wäre um 4.500 Bäume grüner geworden. Wie viele Bäume entfernt und nachgepflanzt werden müssen, wird jedoch verschwiegen. Greenwashing at its best!

Geheimressort

Wir haben übrigens keine Daten zu Bäumen, die z.B. im Verantwortungsbereich von Wiener Wohnen oder des WGEV liegen. Diese befinden sich auch nicht im Baumkataster.