Das verkaufte Land
Die Gärtnereien in der Simmeringer Haide sind Teil der Identität des Bezirks, die Politik tritt oft für deren Erhalt ein. Doch unbemerkt von der Öffentlichkeit wird Land fortlaufend an Bauträger und Immobilienspekulanten verkauft. Eine neue Welle der Verbauung droht. Die Grünen Simmering fordern von der Stadt Transparenz und Einbindung der Bürger:innen.
Auf die Stadt-Landwirtschaft in Wien ist man zu Recht stolz: Vielfältiges Gemüse aus regionaler Produktion, Familienbetriebe über Generationen und eine enge Verbundenheit mit dem Gartenbau werden gerne hervorgestrichen. Auch die Politik lässt sich oftmals mit dem Bekenntnis zum Erhalt der Gemüsebetriebe zitieren und tritt für den Schutz der Wiener Landwirtschaft und Gartenbaugebiete, insbesondere in der Simmeringer Haide, ein.
Von der Gesamtfläche Simmerings von 23,2 km2 entfallen 42% auf Grünland und Gewässer. Von diesem Anteil sind laut Landesstatistik 413,7 Hektar (45%) landwirtschaftlich genutzt. Es werde vor allem Gurken, Paradeiser, Melanzani, Radieschen oder Salate angebaut. Daneben spielt auch die Aufzucht von Zierpflanzen eine Rolle.
Vorrang für die Landwirtschaft?
Die Stadt Wien berücksichtigt die Landwirtschaft auch in ihrer Stadtplanung: Im Agrarstrukturellen Entwicklungsplan von 2014 werden jene Gebiete, die langfristig einer landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten sein sollen („Vorranggebiete Landwirtschaft“), definiert sowie Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung der Bewirtschaftung dieser Vorranggebiete vorgeschlagen.
Simmering kommt in diesem Dokument als „Teilgebiet 2“ vor und umfasst ca. 290 Hektar Gartenbau und 80 Hektar Ackerbau (gesamt 370 Hektar, diese Fläche entspricht ungefähr derjenigen des 15. Bezirks). In diesem traditionellen Anbaugebiet Gebiet gibt es ca. 170 landwirtschaftliche Betriebe, wobei der überwiegende Teil Gartenbau betreibt, der Gemüse (70%) und Zierpflanzen (30%) umfasst. Die Erzeugung erfolgt großteils in Glashäusern und Folientunneln.

Im Detail sind von den insgesamt 370 Hektar den Vorranggebieten „Simmeringer Haide“ und „Albern“ 276 Hektar bzw. 46 Hektar zugeordnet. Weitere landwirtschaftliche Flächen im Vorfeld von Schloss Neugebäude, entlang der Simmeringer Hauptstraße und des Zehngrafweges sowie östlich, südlich und westlich des Zentralfriedhofs umfassen 50 Hektar.
Vorranggebiete Landwirtschaft der Kategorie 1 (also Simmeringer Haide, Albern) sind definiert als „großflächige, zusammenhängende, überwiegend agrarisch genutzte Flächen, die vorrangig der landwirtschaftlichen Produktion dienen“ und den Betrieben eine „optimale Entwicklungsmöglichkeit zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz“ ermöglichen sollen.
Betongold verdrängt Landwirtschaft
In Realität sind viele landwirtschaftliche Flächen und Betriebe vom Verschwinden bedroht. Politische Bekenntnisse können nichts daran ändern, dass Bauträger und Firmen aus dem Bereich der Immobilienspekulation Land aufkaufen, das für die Landwirtschaft gewidmet ist. In der aktuellen Ausgabe des „Augustin“ berichtet Sónia Melo darüber. Es werden dabei in Simmering je nach Lage und Größe Preise von 170 bis 650 Euro je Quadratmeter bezahlt. Es handelt sich dabei wohlgemerkt um Land, das nicht als Baugrund gewidmet ist. Beispiele finden sich in Kaiserebersdorf Dreherstraße, am Leberberg oder auch an der Oriongasse.
In Inseraten im Internet wird gerne von „Hoffnungsgrundstücken“ oder „Land mit Potenzial“ gesprochen oder vermutet, dass „eine Folgewidmung zu Bauland nicht ausgeschlossen erscheint, da unweit schon einige Flächen umgewidmet worden sind.“
Den Gärtner:innen ist kaum ein Vorwurf zu machen: Die Macht des Handels bei den Verkaufspreisen, hohe Energiepreise für die Beheizung der Glashäuser, Wetterextreme und der allgemeine landwirtschaftliche Strukturwandel setzen ihnen schwer zu. Es ist wenig verwunderlich, dass die Landwirt:innen selbst noch ihren Grund verkaufen oder ihre Nachkommen, die schon längst in anderen Berufen tätig sind, mangels Bezugs und Chancen diese Möglichkeit nutzen.
In einem Fernsehinterview (Wien heute, 21.1.2022) sprach Umweltstadtrat Czernohorszky von einer „starken Partnerschaft [der Stadt] mit den Landwirtinnen und Landwirten“ und von der Absicherung von landwirtschaftlichen Flächen. Die laufende Entwicklung in Simmering lässt jedoch Gegenteiliges befürchten.
Flächenwidmungen können durch den Gemeinderat geändert werden und auch der Agrarstrukturelle Entwicklungsplan ist nicht bindend. Nicht nur die Bäuerinnen und Bauern, sondern auch die Bürger:innen sind verunsichert. Sehr viel Grünraum, Gärten und Ackerland wurde in den letzten Jahren versiegelt. Klar ist, dass die wachsende Stadt leistbaren Wohnraum bracht. Doch entstehen in letzter Zeit immer mehr Anlegerwohnungen (Betongold), die auf Grund der hohen Mieten dann leer stehen.
Bürger:innenbeteiligung statt Leugnung
Die Grünen Simmering fordern von der Stadt statt der immer gleichen Antworten, dass aktuell keine Umwidmungen von landwirtschaftlicher Fläche geplant wären, Transparenz und konkrete Aussagen zu den weiteren Entwicklungen in Simmering.
Der fortschreitende Abverkauf des Landes lässt eine Leugnung von zukünftigen Verbauungen nicht länger zu. Bei zukünftigen Umwidmungen sollte auch ausreichend Grünraum (z.B. Schutzgebiete Wald- und Wiesengürtel) mitgedacht werden. Hier müssen insbesondere die Anrainer:innen über eine echte Bürger:innenbeteiligung eingebunden und deren Wünsche und Ängste endlich ernst genommen werden.