Wann kommt der nächste 71er?

Die Wiener Linien seien wieder zu 99% pünktlich unterwegs, hieß es vor Kurzem in den Medien. Ist damit wieder alles gut, war die Aufregung um Verspätungen und Ausfälle unnötig? Mitnichten, denn zumindest beim 71er stecken abseits von Krankenständen strukturelle Probleme hinter den vielen Störungen. Wir haben anhand von Zahlen recherchiert.

linie 71 als Sorgenkind

Die Zuverlässigkeit der Wiener Öffis sorgt auch 2023 für große Probleme, vor allem Personalmangel bedingt durch Krankheit und Pensionierungen machten die Fahrt mit Bim oder Bus zum Glücksspiel. Zum Sorgenkind in Simmering entwickelte sich die dabei die Linie 71, die außergewöhnlich oft mit Störungen auffiel. Während im Schnitt der Jahre 2014-2020 ungefähr 250 Störungen anfielen, waren es 2022 schon über 400. Kaiserebersdorf bleibt dank des parallel verkehrenden 11ers auch bei Störungen am 71er erreichbar, Intervalle von 20-30 Minuten auf der inneren Simmeringer Hauptstraße zwischen St. Marx und Enkplatz sind allerdings inakzeptabel.

viele störungen am ring

Wir haben uns die Statistik der Wiener Linien genauer angesehen: Laut einer Auswertung der Tageszeitung „Standard“, basierend auf den Daten der Website „f59.at“, liegt der 71er mit 2684 Störungen im Zeitraum 2013-22 an 6. Stelle aller Wiener Öffis, noch vor der U6. Im Vergleich dazu liegt der 11er mit 1010 Störungen auf Platz 39.

Für die genauen Ursachen haben wir uns exemplarisch die Monate November und Dezember 2022 angesehen. An 61 Tagen gab es 84 Störungen, nur 9 Tage waren komplett störungsfrei. Zu beachten ist aber, dass Kursausfälle infolge von Personalmangel hier nicht vermerkt sind.

Die häufigsten Gründe für Störungen sind Rettungs-, Polizei- oder Feuerwehreinsätze (31%), gefolgt von Verkehrsunfällen (30%, mit oder ohne Beteiligung der Straßenbahn). Dahinter liegen schadhafte Fahrzeuge (14%) und Demonstrationen (13%). Letztere sind der Führung über den Ring zu schulden. Die Ringstraße ist auch mit 45 Störungen der häufigste Ort, deutlich abgesetzt dahinter der Rennweg mit 7 Meldungen. In 44 Fällen führten die Störungen zu Kurzführungen (oft bis Schwarzenbergplatz statt Börse) oder Umleitungen.

Es zeigt sich hier sehr deutlich, dass die Verlängerung der Bim vom Schwarzenbergplatz zur Börse für die Fahrgäste v.a. aus dem 3. Bezirk Vorteile bringt, für Simmering aber durch die häufigen Störungen am Ring und die unregelmäßigen Intervalle nachteilig ist.

Halt nur an Haltestellen – verbesserungen möglich

Wenngleich die Wiener Linien für die Mehrheit der Störungen nicht unmittelbar Verantwortung tragen, gibt es doch Verbesserungspotenzial. „Halt nur an Haltestellen“ muss endlich durchgesetzt werden: Gerade die Ampelschaltungen am Ring und Schwarzenbergplatz sorgen für mehr Steh- als Fahrzeit, auch am Rennweg (Ampel Jacquingasse) muss die Tram oft kurz hintereinander anhalten. Daneben bremsen Langsamfahrstellen infolge mangelnder Instandhaltung den 71er, so z.B. aktuell vor der Kreuzung Rennweg/Landstraßer Hauptstraße oder bei der Grasbergergasse. Auch dort, wo sich die Bim die Gleise mit Autos teilen muss (Rennweg stadteinwärts vor der Ungargasse), wird sie in der Hauptverkehrszeit ausgebremst.

Fazit: Der 71er muss besser werden, um der wachsenden Bevölkerung Simmerings gerecht zu werden. Nicht nur müssen die Wiener Linien rasch wieder zu den gewohnten Intervalle zurückkehren, sondern auch bei Ampeln für eine Grüne Welle sorgen und Langsamfahrstellen beheben.

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000141719637/keine-bim-in-sicht-stoerungen-und-verzoegerungen-bei-den-wiener

Anmerkung: Die Wiener Linien trauen den eigenen Zahlen nicht. Laut Pressestelle lassen die Open-Source-Daten keine statistische Interpretation zu. Die Zahlen von f59.at seien nicht repräsentativ, da die Datenquelle für eine zeitnahe Information der Kundinnen und Kunden vorgesehen sei und nicht für eine statistische Auswertung.

Autos blockieren die Gleise der Straßenbahn (Rennweg vor Ungargasse)