Infotainment statt Bürger:innen-Versammlung
Auf Antrag der Grünen hatte am 1. Februar 2024 die Bürger:innenversammlung zum Stadtentwicklungskonzept Kaiserebersdorf stattgefunden.
Die Veranstaltung war für viele, die bei den bisherigen Infoveranstaltungen nicht dabei gewesen waren, sicher informativ.
Aber am Ende blieb der Eindruck eines alternativlosen „Stadtteilentwicklungskonzepts Kaiserebersdorf“, bei dem allenfalls kleinere Änderung innerhalb des vorgegebenen allgemeinen Settings möglich wären.

Abwesenheit von Politik
Wer sich einen konstruktiven Austausch zwischen Politik und Bürger:innen erwartet hatte, wofür die in der Stadtverfassung verankerte „Bürger:innenversammlung“ an sich vorgesehen ist, wurde enttäuscht:
- Die zuständige Stadträtin Ulli Sima war nicht anwesend.
- Eine allgemeine Diskussion zwischen den Menschen im Saal und den Vertreter:innen der Stadt (Bedienstete der MA 21) war nicht erwünscht.
- Die Bürger:innen wurden angewiesen, sich auf die im Raum aufgestellten Infotafeln zu verteilen und sich an die dort stehende Auskunftsperson zu wenden.
- Der Andrang war so groß und die Menschentraubenbildung so eng, dass nur diejenigen etwas von den Erläuterungen verstanden und sich einbringen konnten, die nahe genug an die Auskunftspersonen heran kamen.
- Der hohe Schallpegel im Saal machte das Verstehen und Diskutieren nicht leichter.
- Die Bediensteten der MA 21 gaben zwar fachkundig über das Projekt Auskunft. Über die politischen Rahmenbedingungen und Entscheidungsparameter konnten und durften sie als weisungsgebundene Angestellte der Stadt nichts sagen.

Stadtteilplanung als Naturereignis?
Stadtteilplanung kommt nicht aus dem Nichts. Daher wäre die Frage nach den Notwendigkeiten für die Erstellung des derzeitigen Plans das eigentliche Thema einer Bürger:innenversammlung zum Stadtteilentwicklungsprojekt gewesen. Und die Frage nach Alternativen:

In Wien stehen Schätzungen zufolge mindestens 30.000 Wohnungen länger als 6 Monate leer, 10.000 Wohnungen sogar länger als zweieinhalb Jahre. Mit einer Leerstandsabgabe müssen endlich die Spekulation mit Leerstand bekämpft und Wohnungen für die Bevölkerung verfügbar gemacht werden.
Baulücken, etwa von alten Industriegebieten, die lange nicht bebaut wurden oder als Zwischennutzung als Parkplatz genutzt werden, sind in der Regel bereits versiegelt und somit alle Voraussetzungen für Bebauung gegeben
Überbauung von Geschäfte in erdgeschoßigen Gebäuden mit Parkplätzen bieten ein großes Potenzial an Wohn- und Gewerbeflächen.
Einführung von Beschränkungen beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen: Wien ist das einzige Bundesland, wo Bauträger in spekulativer Absicht landwirtschaftliche Flächen ohne Einschränkungen kaufen können.
Dadurch ist es möglich, Ackerland in Bauland umzuwidmen, und weiters, dass Umwidmungsgewinne bei den Privaten verbleiben, die öffentliche Hand, also wir alle, das Nachsehen hat.
Durch eine Abschöpfung dieser Umwidmungsgewinne („Mehrwertabgabe“) nach Schweizer Vorbild könnte auch die Allgemeinheit von diesen Gewinnen profitieren und die Bodenspekulation eingedämmt werden.
Durch eine gesetzliche Bestimmung, dass Ackerland nicht in Bauland umgewidmet werden dürfe, wäre der Spekulation überdies von vornherein ein Riegel vorgeschoben.

Inszenierung von Antipolitik
Wovor haben die Politiker:innen Angst? Entweder sind die Argumente gut und die Entscheidung nachvollziehbar, dann können sie sich auch der Diskussion stellen. Wenn sich dabei herausstellt, dass es gewichtige Einwände und bedenkenswerte Vorschläge seitens der Bürger:innen gibt, dann besteht die Möglichkeit einer Korrektur und des Verbesserung des Projekts. Das wäre echte Partizipation.
Wenn aber Politiker:innen fern bleiben und die Diskussion mit den Fachbediensteten von vornherein als Fragen- und-Antwort-Spiele angelegt werden, zersplittert durch im Saal verteilten Tafeln und Auskunftspersonen, sowie durch eine unüberschaubare Anzahl von Details, dann entsteht eine schiefe Kommunikationsebene zwischen den Vertreter:innen der Stadt und dem einzelnen Bürger, der einzelnen Bürgerin. Die sich dann zurecht nicht ernst genommen und abgespeist vorkommen.
Was bleibt, ist Frust und gemindertes Vertrauen in die Politik.

Ist es damit gelaufen?
Nein!
Vernetzen wir uns, fordern wir eine echte Bürger:innenversammlung mit der tatsächlich verantwortlichen Politikerin!
Treten wir für Leerstandsabgabe, Verbauung nur von bereits versiegelten Flächen, Unterbindung von Bodenspekulation, Verbot von Umwidmungen von landwirtschaftlichen Flächen usw. ein!
Wir alle gemeinsam sind stärker, als wir oft glauben!
