Faktencheck Radfahren

Die politische Diskussion rund um das Thema Radfahren in der Stadt ist häufig von Behauptungen und Vorurteilen geprägt. Wir prüfen drei Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt.

„Radfahren gegen die Einbahn ist gefährlich“

Mit der Zunahme des KFZ-Verkehrs wurden in vielen Städten in den 1970er und 1980er Jahren Einbahnstraßen geschaffen, um die Abwicklung des Verkehrs zu erleichtern oder mehr Parkplätze zu schaffen. Radfahrende haben davon keinen Nutzen. Die Einbahnen sind vielmehr eine erhebliche Behinderung, verursachen Umwege oder provozieren unerlaubtes Fahren am Gehsteig. Die Öffnung von Einbahnstraßen ist für einen attraktiven Radverkehr eine wichtige Maßnahme. Verschiedene Studien [1-3] haben gezeigt, dass aus Sicht der Verkehrssicherheit nichts gegen eine Öffnung von Einbahnstraßen spricht und das Radfahren gegen die Einbahn das Unfallrisiko nicht erhöht. Konflikte mit Fußgehern werden dadurch sogar entschärft. Begegnungen zwischen Radfahrer*innen und Kraftfahrzeuglenker*innen verlaufen auf Grund des guten Sichtkontakts beim Radfahren entgegen der Einbahnrichtung unproblematischer als Überholvorgänge.

Begegnungen zwischen Kfz und Rad müssen in der Einbahn nicht überall möglich sein. Bei
übersichtlichen Straßen genügen einige Ausweichstellen, wie sie z.B. bei Einfahrten oder Parklücken ohnedies gegeben sind. Unübersichtliche Stellen können durch zusätzliche Fahrbahnmarkierungen oder bauliche Maßnahmen gesichert werden [2].

Eine aktuelle Auswertung der Unfallzahlen für ganz Österreich [4] bestätigt die obigen Ergebnisse: Nur 1,3% aller Radunfälle (89 von 6689) passierten im Durchschnitt der Jahre 2012-15 in Einbahnen, während der häufigste Unfallort gemischte Geh- und Radwege sind (477 von 6689 Unfällen).

In Wien werden Einbahnen vor ihrer Öffnung für den Radverkehr von den Experten der MA 46 gemäß den Richtlinien [5] geprüft. Dabei wird auf die Fahrbahnbreite, die zulässige Höchstgeschwindigkeit (30 oder 50 km/h) und die Parkordnung Rücksicht genommen, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Fazit: Sofern bei der Planung wichtige Grundsätze beachtet werden, erhöht das erlaubte Radfahren gegen die Einbahn das Unfallrisiko nicht und trägt wesentlich zur Förderung des Fahrradfahrens bei.

„Fahrräder brauchen Nummerntafeln“

Um die Identität des Radfahrenden nach Regelverletzungen oder Unfällen festzustellen und Fahrerflucht zu verhindern, wird gelegentlich ein Kennzeichen für Fahrräder gefordert. Aus Sicht der Unfallstatistik kann diese Forderung jedoch nicht abgeleitet werden: Bei drei von vier Verkehrsunfällen mit verletzten Radfahrer*innen, die keine Alleinunfälle sind, sind Kfz die Unfallverursacher, und nur 5,8% aller Radunfälle sind mit Beteiligung von Fußgeher*innen [4]. Neben vielen praktischen Problemen würden Kennzeichen vor allem einen hohen bürokratische Aufwand und damit verbundene enorme Kosten verursachen, die kleinen Nummerntafeln wären zudem nur schwer lesbar [6]. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in keinem Land der Welt Kennzeichen für Räder Pflicht sind. Schon 1995 kam eine Studie für die Stadt Graz zum Ergebnis, dass es weltweit kein funktionierendes System zur Fahrradregistrierung gibt [7].

Auch aus rechtlicher Sicht gibt es massive Bedenken: Die Fahrzeugnummer zu kennen bedeutet nicht automatisch auch den/die Fahrer*in zu kennen. Daher gibt es für Kfz die sogenannte Lenkerauskunftspflicht als Verfassungsbestimmung im österreichischen Recht. Bereits 1993 wurde in einem Gutachten des Verkehrsministeriums [8] dargelegt, dass eine Ausweitung dieser Bestimmung auf Radfahrende einen massiven Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte darstellt und sachlich nicht zu rechtfertigen ist.

In Österreich gab es übrigens nur im Ständestaat zwischen 1934 und 1938 in einigen Bundesländern Nummerntafeln mit einer „Fahrradabgabe“. Mit der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich wurde diese wieder abgeschafft [9].

Fazit: Nummerntafeln für Fahrräder sind nicht gerechtfertigt, da das Rad ein umweltfreundliches Verkehrsmittel mit geringem Gefahrenpotenzial ist, dessen Nutzung nicht unnötig erschwert werden sollte.

„Radfahrer*innen fordern ständig, zahlen aber keine Steuern“

Radfahrer*innen fordern ständig neue Radwege und andere Infrastruktur, zahlen aber im Gegensatz zu Kfz-Besitzer*innen keine Steuern (z.B. Versicherungssteuer, Mineralölsteuer…), so lautet in Diskussionen ein Vorwurf. Hier wäre zunächst einmal anzumerken, dass mit der Zahlung von Steuern im Gegensatz zu Gebühren keine direkte Gegenleistung verbunden ist. Sie sind nicht zweckgebunden und fließen ins allgemeine Budget. Eine Studie der Universität für Bodenkultur zeigt überdies auf, dass Radfahrer den Autoverkehr subventionieren, also mehr in das System einzahlen, als sie entnehmen [10]. Für die Studie flossen Faktoren wie Gesundheit und Lärm sowie Kosten für Betrieb, Reisezeit, Schadstoffe und Klima mit ein. Vor allem die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit entlasten die Krankenkassen. Die externen Kosten des Autoverkehrs in der EU (also unter Einbeziehung von Folgekosten durch Unfälle, Luftverschmutzung, Lärm, Klimawandel etc.) belaufen sich für das Jahr 2008 auf 373 Mrd. Euro, so eine Studie der TU Dresden [11], die durch die Steuereinnahmen nicht gedeckt sind.

Durch ihr Gewicht verursachen Lkws die meisten Schäden am Straßennetz, während Fahrräder eine vergleichsweise geringe Auswirkung haben. Daneben wird die Luft nicht verschmutzt, der Platzbedarf ist geringer und ebenso die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer.

Fazit: Die Infrastrukturkosten des Fahrrades sind verglichen mit Kfz vergleichsweise gering, durch Kostenersparnis im Gesundheitssystem und andere Vorteile sorgt das Fahrrad gesamtwirtschaftlich betrachtet für einen positiven Effekt und kompensiert teilweise die negativen Folgen des Kfz-Verkehrs.